7:30
Losfahren. Die ganze Nacht ist ein Bauer mit seinem lärmenden Traktor durch die gegenüberliegende Mandelplantage gefahren.
Im Schlepptau zog er eine Maschine, die Schädlingsbekämpfungsmittel auf die Bäume sprühte. Hinzukam, dass ich um 3:00 Uhr nachts plötzlich ein lautes Zischen neben mir hörte. Keine Schlange, sondern das künstliche Bewässerungssystem.
Zum Glück hatte ich mich gestern Abend doch noch dagegen entschieden, unter freiem Himmel auf meiner Isomatte zu schlafen. Diese Entscheidung habe ich tatsächlich den Mücken zu verdanken, die am späten Abend doch noch ausschwärmten.
Ein Wunder eigentlich, dass ich Mücken überhaupt etwas Gutes zu verdanken habe – Meistens bescheren sie mir ja nur dicke, juckende Stiche…
10:00
30 km sind geschafft und ich mache die zweite Pause des Tages. Bisher waren die Straßen in bestem Zustand und ich teilte sie mit Dutzenden anderen Rennradenthusiasten.
Die letzten 5 km führten mich eine alte Bahntrasse entlang, die dem Flussverlauf des Río Tinto folgt. Einsam drehte ein Fischadler über mir seine Kreise, mit einem Federbild, wie ein großer Sperber.
Ich möchte ein Foto machen, doch als ob der Adler geahnt hätte, dass ein Foto niemals seine volle Majestät einfangen könnte, verschwindet er mit einem einzigen eleganten Flügelschlag er über den Gipfeln der Korkeichen.
Nach einigen Kilometern auf einer wirklich ruppigen Piste, erreiche ich die stillgelegten Minen von Rio Tinto. Der britische Bergbaukonzern, den es noch heute gibt, hat hier über beinahe ein Jahrhundert erzhaltiges Gestein abgebaut.
Heute sind die einzigen Relikte aus dieser Zeit verfallene Ruinen und einige Dampfloks, die dem Aussehen nach zu urteilen schon viele Jahre ausgedampft haben. Wie ein rötlicher Schimmelpilz bedeckt der Rost die Kessel und frisst sich langsam in ihr Inneres.
12:30
Nach 45 km mache ich eine Pause an einem Badesee. Hier werde ich noch ein bisschen bleiben und immer, wenn es mir zu heiß wird, springe ich hinein.
16:00
Jetzt wurde lange genug Pause gemacht, es geht weiter. Ich fahre jetzt auch an den noch aktiven Minen von Rio Tinto vorbei, ein Loch in der Erde 230 m tief, über 2000 m lang und 800 m breit.
Ich fühle mich an einen meiner Lieblingsfilme aus Amerika erinnert: „I Dig Dirt“ – ein Film über große Minen und die Maschinen, die dort verwendet werden. Jetzt, dass ich darüber nachdenke, der Film wurde bestimmt von der Minenindustrie gesponsert!
Vor dem riesigen Loch in der Erde stehend, bin ich schon beeindruckt. Aber im Vergleich zu den natürlichen Schluchten, wie etwa in Frankreich, ist das Staunen doch etwas kleiner. Die heiße Luft ist trocken und staubig, und überall hallt der Lärm von zerberstendem Gestein und das Aufheulen riesiger Motoren.
Industrien wie diese sind es, worauf unsere Wirtschaft aufbaut: Sie liefern die Rohstoffe, für alles weitere. Wie sich allerdings ein solcher Wirtschaftszweig wirklich nachhaltig gestalten lässt, ist mir noch schleierhaft. Eine „grüne“ Mine erscheint mir ein Widerspruch zu sein.
Aber ohne Minen gibt es keine Windräder, keine Fahrräder und keine Solaranlagen.
Wenn an einer Stelle solche Schäden unvermeidlich angerichtet werden, muss es jedoch Ziel sein, sie an anderer Stelle zu kompensieren. Außerdem: die Rohstoffe, die bereits im Umlauf sind, müssen möglichst vollständig recycelt und wiederverwertet werden. Hier ist noch deutlich Luft nach oben, was etwa am Beispiel des Pfandflaschensystems deutlich wird.
Kein Land auf meiner Reise, außer Deutschland (und in eingeschränktem Umfang auch die Schweiz), hat ein solches System gehabt. Dabei erzielt man so eine Rückgabequote von 98 %, was die Wirksamkeit des Systems beweist und genau das Ziel einer sogenannten Kreislaufwirtschaft unterstützt.
18:00
Nach der Mine ging es ein Stückchen flott bergab, bevor die Straße anfing sich einen Berg hinaufzuwinden. In der Hitze werde ich ausgequetscht wie eine saftige Zitrone. Mein Hemd klebt mir am Rücken wie ein nasser Lappen, und ich fühle mich an, als würde jemand meine Haut mit einem Heizstrahler bearbeiten.
Gegen 19:30 Uhr wird es allerdings deutlich angenehmer, und eine Stunde später finde ich einen herrlichen Ort zum Übernachten. Ein öffentlicher, kostenloser Zeltplatz/Grillplatz mit Wasser und Picknick-Bank. Ich entscheide mich, das nachzuholen, was ich gestern in der Mandelplantage aufgrund der Insekten nicht getan hatte: unter freiem Himmel zu schlafen.
Ich breite meine Isomatte und meinen Schlafsack auf dem Tisch aus und lege mich gegen 11:00 Uhr schlafen. Über mir nichts als das Firmament und unter mir nur die Katzen, die mir schon den ganzen Abend Gesellschaft leisten.
Morgen stehe ich früh auf, um die kühlen Morgenstunden richtig auszunutzen. Gute Nacht!