Ich wache auf und höre das Schnattern von Wasservögeln. Es geht wieder früh los, um 6:30 Uhr. Eine halbe Stunde später taucht die goldene Sonne über einer Hügelgruppe auf. Auf abgelegenen Landstraßen fahre ich in Richtung Merida – links und rechts nur Wein und Olivenbäume. Die Nacht war angenehm, die Luft kühl und die ersten Morgenstunden sind ein Traum.
Ich ignoriere meinen GPS-Track, und fahre so, wie ich möchte. Es ist sehr befreiend, nicht mehr an eine lila Linie auf einem neun Quadrat Zentimeter großen Bildschirm gebunden zu sein.
In gewisser Hinsicht nimmt das GPS das Risiko aus dem Bikepacken: Klar, ohne verfahre ich mich häufiger, das ist frustrierend, doch die Frustrationstoleranz muss trainiert werden, ebenso wie die Gelassenheit. Außerdem bin ich viel aufmerksamer dabei, wenn ich selbst die Orientierung behalten muss.
12:00
Die ersten 70 km sind geschafft, ich bin in Merida. Die Stadt ist ein Mischmasch aus Industrie und Historischem. Alte römische Gebäude stehen neben quadratischen Apartments.
Für die meisten Monumente muss man Eintritt bezahlen, deshalb schaue ich sie mir nur von außen an. Das römische Amphitheater sehe ich durch eine lichte Hecke, der archäologische Ausgrabungspark versteckt sich hingegen hinter wuchtigen Mauern. Am beeindruckendsten finde ich das Aquädukt.
Aber warum gibt es in Merida überhaupt so viele römische Gebäude? Merida stammt von dem lateinischen Wort Emerita. Heute werden Professoren emeritiert, wenn sie in den Ruhestand gehen; früher waren es hier die Soldaten des Kaisers Augustus.
Deshalb hieß Merida früher auch Emerita Augusta. Die Stadt liegt strategisch auf der Silberstraße, der Via de la Plata. Hier ist das Gold von den Minen im Norden, wie die Médulas, über die iberische Halbinsel und noch weiter im römischen Reich verteilt worden.
Die Hitze meldet sich heute früher als gestern und es ist leicht diesig. Zeit, noch ein paar Kilometer zu machen, bevor ich eine Pause verdient habe.
Bevor ich es vergesse, es gab ein lustiges Erlebnis: beim großen Geschäft hinter einem Olivenbaum überrascht mich ein Bauer mit seinem Traktor. Ich habe gerade noch rechtzeitig die Hose hoch gekriegt…
14:30
Ich habe eine schöne Korkeiche gefunden, unter deren schattenspendender Krone ich für die nächsten zwei Stunden Pause mache. Ich bin auf der Via de la Plata unterwegs, durch eine savannenähnliche Landschaft. Die Sonne scheint unerbittlich.
20:00
Zu Abend gibt es eine Empanada. Ich zelte auf einer Wiese neben einem Dorffriedhof. Ein Mann fährt auf dem Mountainbike vorbei und fragt neugierig, wo ich herkomme.
Er stellt sich als Viktor vor und erzählt mir, dass er auch Freunde in Deutschland hat. Früher war er Profiradfahrer, heute verkauft er Versicherungen.
22:00
Ich habe das Zelt aufgebaut, weil draußen zu viele Mücken waren. Hier ist es wirklich unerträglich heiß drin – meine Haut ist von einem Schweißfilm bedeckt. Mal schauen, wie gut ich schlafen werde. Morgen geht es auf jeden Fall wieder früh los. Gute Nacht!