Tag 120: Ein Wochenmarkt und die Tour de France

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8:00

Ich habe gut geschlafen und werde jetzt noch einmal nach Bedous fahren, um nach etwas Essen zu schauen. Heute soll Markt sein, aber laut Google öffnet er erst um neun. Ich schaue trotzdem. Etwas Bargeld muss ich sowieso von einer Bank abheben.

Die Berggipfel sind nach wie vor in Wolken gehüllt, was heißt, dass ich heute auf dem 1700 Meter hohen Pass, den ich bezwingen möchte, bestimmt auch in den Wolken fahren werde.

Schade um den Ausblick, aber nie ruht man so sehr in sich selbst, wie wenn die Außenwelt vollkommen verschwindet. Die Fahrt in den Wolken ist immer etwas ganz Besonderes. Sie hat etwas Wildes an sich.

Bevor ich aber im Ernst in die Tour starte, besuche ich noch den Markt. Dieser ist auch schon um halb neun gut besucht. Auf dem Markt gibt es viel Bio-Obst und Gemüse zu kaufen, dass alles aus lokaler Produktion stammt.

Ich komme ins Gespräch mit einem betagten Weinbauern, der meine Federn ganz toll findet. Er gibt mir eine Probe von seinen zwei Weinen, einen süßen Weißwein und einem herben Weißwein.

Beide Weine stammen aus denselben Trauben, der einzige Unterschied ist der Erntezeitpunkt.

„Was ich nicht verstehe“, sagt der Weinbauer zu mir, „ist, wie du die Zeit hast, so eine Reise zu machen. Arbeitest du nicht?“

„Ich bin Student und habe mir ein Jahr von der Uni frei genommen“, erkläre ich. Der Bauer nickt „Ja, das geht heute.“

„Es ist schön, dass hier so viel aus lokaler Produktion kommt“, sage ich.

„Ja, nicht wie in Amerika. Wir wollen auch nicht wie Amerika sein“, sagt der Weinbauer stolz.

Auf dem Markt kaufe ich einen Blütenhonig von einem lokalen Imker, einen Ziegenkäse und einige frische Tomaten. Das werde ich später alles zusammen mit meinem Bäckerbaguette genießen.

Wenige Kilometer weiter beginne ich den Anstieg eines Passes. Unten wird gewarnt, dass die letzten 4 km alle eine Durchschnittssteigung von weit über 10 % haben.

Ich schwitze wie ein Ochse, aber ich meistere den Pass schneller als der Radfahrer, der hinter mir fährt. Die Abfahrt ist rasant und schnell vorbei, nicht weil die Straße aufhört, sondern weil ein Polizist sagt: „Die Route ist gesperrt.“

„Warum?“, frage ich. Der Polizist schaut auf seine Uhr und sagt: „In etwa einer halben Stunde kommt hier die Tour de France vorbei.“

Was für ein Glück!

15:00

Aus der halben Stunde werden zweieinhalb Stunden. Zwar fängt tatsächlich nach einer halben Stunde an, die Tour de France vorbeizukommen. Doch es handelt sich um die Vorhut: diese besteht aus Karnevals-ähnlich geschmückten Autos, die Süßigkeiten und Werbeartikel verteilen. Das kann ich alles gar nicht mitnehmen, und nur die essbaren Sachen wandern in meine Taschen.

Schließlich sehe ich aber doch die Profis, die wie ein bunter Blitz vorbeischießen. Die Bilanz ist: Zweieinhalb Stunden gewartet für 10 Sekunden Tour de France Vergnügen. Radsport ist definitiv etwas, was im Fernsehen besser zu verfolgen ist. Über mir brummen ganze sieben Helikopter hinweg, die die Radfahrer von oben filmen.

Auch später sind die Straßen überall mit Wohnmobilen und Radsport-Enthusiasten verstopft. An jeder Kreuzung stehen Polizisten, teilweise muss ich eine halbe oder dreiviertel Stunde warten, bis ich auf den Pass gelassen werde.

Um 18:00 Uhr stehe ich aber endlich oben auf 1700 m. Die Wolken sind verflogen – die Sonne scheint. Vor 3 Stunden ist hier bereits die Tour de France durchgekommen.

Oben angekommen. Anhand der Straßenbemalung erkennt man, dass vor mir die Tour de France durchgefahren ist.

Es geht eine schnelle Abfahrt runter, und gegen 20:30 Uhr frage ich bei einem Bauern, ob ich auf seiner Wiese schlafen kann. Das geht! Auf einem Heuballen esse ich mein Abendessen aus Baguette, Schafskäse, rote Beete und Honig.

Unterwegs habe ich heute unzählige Radfahrer getroffen, unter anderem ein Pärchen aus Belgien, eine Gruppe Deutscher und ein nettes älteres Ehepaar, mit denen ich am Straßenrand die Tour angeschaut habe. Es war also ein geselliger Radsport Tag.

Ich lasse den Tag entspannt ausklingen und genieße die Abenddämmerung.

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