Tag 134: Auf dem Jura-Hohenweg angekommen

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Der erste volle Tag in der Schweiz geht zu Ende. 90 km und 1600 Höhenmeter sind geschafft. Dafür, dass ich noch nicht wieder vollkommen bei Kräften bin, kein schlechter Tag.

Die meisten Höhenmeter sammelte ich auf einer steilen Straße, die über 6 km eine Durchschnittssteigung von 10 % hatte. In den Pyrenäen hätte ich darüber nur gelacht. Wenn man allerdings nur 80 % Leistungsfähigkeit hat, ist das schon eine ordentliche Herausforderung.

Oben angekommen, spaziere ich ein bisschen über eine Weide, auf der viele alte, knorrige Bäume stehen. Die Bäume sind wie dafür geschaffen, um Gesichter und Fabelwesen zu „suchen“.

Auf der Hochebene angekommen, gibt es nur noch kleinere Steigungen. Meistens folge ich den in Nord-Süd-Richtung gelagerten Tälern. Hier ist alles eben. Die Landschaft wird von grünen Kuhwiesen dominiert.

Gerade sitze ich auf einer solchen Kuhweide. Vor mir geht die Sonne über einer bewaldeten Hügelkuppe unter. Links von mir grast eine Herde Kühe. Die Glocken an ihren dicken Hälsen läuten hypnotisch. Fast wie Regen. Hinter mir ist der große Bauernhof, auf dessen Grundstück auch mein Zelt steht. Hier wohnen wie in früheren Zeiten drei Generationen. Es war kein Problem mein Zelt hier aufzustellen.

Während die Familie draußen vor dem Hof isst, unterhalten wir uns kurz. Ein paar Mal werfe ich für den spielfreudigen Wachhund einen Stock. Mir wird kein Platz am Tisch angeboten, aber ich habe ja auch selbst meine eigenen Vorräte. Forcieren werde ich nichts – Wenn in dieser Situation keine Einladung ausgesprochen wird, dann ist das genauso beabsichtigt.

Ich erfahre aber, dass der Jura dieses Jahr auch in der Schweiz viel zu trocken ist. „Es ist einfach nur schrecklich. Wir brauchen so dringend Regen!“ Der Bauer deutet mit einer fleischigen Hand auf die dunklen Wolken, die auf der anderen Talseite vorbeiziehen. „Aber es sieht so aus, als würden wir wieder leer ausgehen.“

Der Tag war relativ warm und die Luft schwer. Zum Nachmittag dachte ich, dass sich möglicherweise ein Gewitter zusammenbrauen könnte. Es brummte hier und da in den Wolken. Weiter geschah aber nichts. Im Gegenteil: Zum Abend hin gaben die Wolken den blauen Himmel wieder Preis, an dem sich auch schon ganz zart der Halbmond abzeichnet.

Es scheint, als würde ich eine ruhige und friedliche Nacht haben. Auf dieser Höhe dürfte es keine Mücken mehr geben, auch wenn die Fliegen dafür umso penetranter sind. Das ist der Nachteil, in der Nähe von Kühen zu schlafen. Kühe und Fliegen leben in besonderer Symbiose. Die kleinen Fliegen werden aber leider nicht durch Stacheldraht und Elektrozaun aufgehalten und können mich frei nach Lust und Laune belästigen.

Ich kann damit leben.

Solange sie nur kitzeln – und nicht beißen…

Gute Nacht!

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