Manche Fragen werden einem häufiger gestellt, je länger eine Reise dauert. Eine solche Frage ist die, ob ich jemals daran dachte, aufzugeben.
Mit jedem Monat den ich unterwegs bin, erlebe ich natürlich neue Höhen und Tiefen. Klar sind Menschen irgendwann neugierig, ob ich nicht mal etwas erlebt habe, was mich an der gesamten Reise zweifeln ließ.
Ich kann mit voller Aufrichtigkeit sagen, dass meine Reise von Monat zu Monat immer leichter wurde. Wenn ein großes Unterfangen scheitert, dann normalerweise am Anfang.
Das hat mehrere Gründe. Bei einer großen Radtour zeigt sich schnell, ob Körper, Kopf und Ausrüstung taugen.
Ist man körperlich unvorbereitet, werden Verletzungen oder Schmerzen relativ früh auftauchen. Ich hatte zum Beispiel auf den ersten vier Tagen von Münster nach Usingen starke Knieschmerzen. Meinen neuen Ledersattel hatte ich nicht optimal eingestellt. Darüber hinaus war mein Körper nicht daran gewöhnt, Steigungen mit dem Zusatzgewicht des Gepäcks zu fahren. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, ob die Knieschmerzen meine ganze Reise torpedieren könnten.
So schrieb ich am dritten Tag meiner Reise: „Mein Knie (rechts) tut seit dem ersten Tag der Tour beim Beugen weh, auf der linken Seite der Kniescheibe. Es ist ein kleiner Knubbel da und gefühlt verschlimmern lange, enge Sporthosen den Schmerz.“
Später am selben Tag notierte ich:
„Bikepacken ist eine Übung in Gelassenheit und Resilienz. Die Balance finden zwischen Nachhaltigkeit und Zielerfüllung. Bestes Beispiel ist mein Knie. Ich muss jetzt eben etwas langsamer fahren. Die Geduld brauche ich – sie wird sich langfristig auszahlen. Slow and steady wins the race! Noch 35 km nach Gießen.“
Einen Tag später steht folgendes in meinem Heft: „Beide meine Knie fingen heute an zu schmerzen, insbesondere als ich bergauf fuhr. Mein Schluss: ich muss weniger Gewicht mitnehmen. Ich werde auf meine Kochsachen verzichten und weniger Klamotten einpacken. Insbesondere werde ich nicht einen Hammer nur für mein Zelt mitnehmen. Hoffentlich wird das meine störrischen Knie wieder unter Kontrolle bringen.“
Damit genug über Knie geredet. Bleibt nur noch zu sagen: Gesundheit ist das höchste Gut – das wurde früh auf der Reise klar. Mit etwas Zurückhaltung und angepasster Ausrüstung haben sich die Knieprobleme glücklicherweise gelöst. Es ist rückblickend ziemlich absurd, dass ich in der allerersten Woche am nächsten dran war, die gesamte Tour zu torpedieren.
Ich kann mich noch an eine andere Phase erinnern, wo ich zumindest kurzzeitig an dem gesamten Unterfangen zweifelte. Die mental härtesten Tage der Tour erlebte ich in der Schweiz. Die Temperaturen waren gegen null, und es schüttete zwei Tage und zwei Nächte. Ein zermürbender, feindlich gesinnter Wind versuchte mich zurück nach Deutschland zu drücken.
Alles war nass. Alles war kalt. Die Klamotten, das Zelt, die Haut. Dazu kam, dass ich keinen Menschen begegnete. Ich war auf mich allein gestellt – und es wurde eine sehr lehrreiche Zeit über die Abhängigkeit meiner Stimmung von den Umständen.
Zu meiner dunkelsten Stunde stellte ich mir die Frage, ob ich nicht die Tour abbrechen und um einen Monat verschieben sollte. Aber allein der Gedanke, wie ein verprügelter Hund zurück nach Hause zu schleichen, ließ die Galle in meinem Hals hochsteigen. So ein Weichei bin ich nicht!
Ich fuhr weiter, und von dem Zeitpunkt an wurde die Tour nur immer leichter. Bei späteren Magenverstimmungen, technischen Defekten oder Phasen der Einsamkeit stellte ich nie wieder die Tour an sich infrage.
Es ist schon interessant, dass die härteste Zeit ausgerechnet der Anfang war. Doch ich glaube, das ist gar nicht so selten. Anfänge sind schwierig, doch wenn sie gelingen, legen Sie die Grundfeste für alles Weitere.
Titelbild: Ein Bild von der ersten Etappe (Münster nach Usingen) der Tour im März. Zu dem Zeitpunkt war das Gepäck noch schwerer, das Wetter kälter und die Haare kürzer.