Saint Paul Trois Châteaux – Vallon Pont d’Arc
Deutsch. Es ist das erste Mal, dass ich in Frankreich wieder so viele Deutsche treffe. Die Ardèche ist bevölkert von Deutschen. Jeder zweite PKW, der auf dem Supermarkt-Parkplatz steht, trägt ein deutsches Kennzeichen.
Der Ort ist komplett auf den Tourismus zugeschnitten. Überall sind Souvenirläden. Jeder erdenkliche Schrott wird angeboten. Es scheint zu klappen: sonst würden es nicht so viele machen.
Ich frage mich immer: Wenn man in den Urlaub fährt, um sich zu entlasten, warum kauft man dann Schrott, der nur belastet? Es stimmt, Erinnerungen sind oft an materielle Dinge geknüpft. Aber doch nicht an einen Plastik-Eiffelturm aus der Ardèche!
Ich sitze gerade am Fluss. Dabei höre ich den Schwalben zu, die im Felsen ihre Nester haben. Zum ersten Mal auf meiner Reise zelte ich auf einem offiziellen Zeltplatz. Für 10,22 € verbringe ich hier die Nacht. Normalerweise hätte ich wild gezeltet, doch ich will morgen mit dem Kajak die Ardèche hinunter paddeln. Da ist es am besten, dass man bei einem Zeltplatz übernachtet, der Kajaks zur Verfügung stellt.
Eben habe ich ein nahrhaftes Abendessen verdrückt. 500 Gramm rote Beete, zwei Ziegenjoghurts, ein halbes Baguette und 200 Gramm Comté Käse. Seit ich in Frankreich bin, ist dieser Käse aus meinem Speiseplan nicht mehr wegzudenken. Er ist nicht besonders salzig, doch er hat einen intensiven Geschmack. Ein bisschen wie eine Mischung aus Emmentaler und Bergkäse.
Über Essen habe ich mich noch an diesem Morgen mit meinem Gastgeber Francois unterhalten. „Viele gute Freundschaften entstehen beim Essen“, sagte er.
Francois erzählte von einer Reise, die er mit seiner Frau nach Quebec gemacht hatte. Neun Monate waren sie unterwegs und haben dabei Land und Leute sehr gut kennen gelernt. Francois erzählt, dass sie fast jeden Tag eingeladen wurden auf Barbecues (davon gibt es viele in Quebec!). Immer als sie an einer Versammlung vorbeifuhren, wurden sie auch eingeladen. „Die Offenheit der Quebecer ist unglaublich“, schwärmt Francois. Oft sind sie am Tag nur 15 Kilometer gefahren, da sie so oft eingeladen wurden.
Radreisende sind in Quebec aber selten. Wer mit dem Fahrrad fährt, gilt oft als arm und hilfsbedürftig. Einmal hielt sogar ein Lastwagenfahrer an und bot ihnen Geld an. Er konnte es nicht glauben, dass Francois und Genevieve zum Spaß mit dem Fahrrad unterwegs waren. Es dauerte einige Minuten und Anläufe, um den Trucker zu überzeugen, dass sie keine armen Obdachlosen waren.
In Rumänien erlebten Francois und Genevieve ebenso unglaubliche Gastfreundschaft. Als sie durch entlegenste Bauerndörfer radelten, klatschen alle Bewohner und feuerten sie an. Oft wurden sie eingeladen. Dann kam meistens eine Cola auf den Tisch.
In den entlegenen rumänischen Dörfern ist der Glaube weitverbreitet, dass Westeuropäer immer nur Cola trinken. Cola zu servieren, ist ein Zeichen großer Gastfreundschaft. Deshalb verwendeten die armen Einwohner oft einen ganzen Tageslohn, um eine Flasche Cola zu besorgen. Umgerechnet 2 Euro mussten sie dafür zahlen, doch das taten die Einwohner gerne, um Francois und Genevieve zu empfangen. Nicht selten legte ein ganzes Dorf Kleingeld zusammen, um einen würdigen Empfang zu organisieren.
„Nie hat man von uns Geld gefordert“, erzählt Francois. Er habe aber öfter einen Schein unter seinem Kissen versteckt, als kleines Dankeschön.
Doch man ist noch nicht immer und überall ist man so zuvorkommend gegenüber Radfahrern gewesen. Zwischen Deutschen und Franzosen war es in der Generation seiner Eltern nicht so gut. Schwer wiegte noch die Erfahrung aus den Weltkriegen.
Francois erzählt von seinem Vater, der in Auschwitz war. Als er freikam, wog er gerade 36 Kilo. Nie redete er über seine Erfahrung im Lager. Als man ihn fragte, sagte er immer nur: „In Auschwitz gab es ein kleines Restaurant.“
Das Vertrauen zu den Deutschen war erstmal weg. Später war sein Vater als Spediteur viel in Deutschland unterwegs, und lernte die Leute von einer ganz anderen Seite kennen. Langsam erwärmte er sich für die europäischen Nachbarn. Doch die Gräueltaten, die er erleben musste, hat er nie vergessen. Nur verschwiegen.
„Ich habe das alles zum Glück nicht erleben müssen“, sagt Francois. „Was ein Glück, das wir in unserem Europa frei reisen können, und überall auf freundliche Leute stoßen!“