Tag 34 – Ruhetag in Australien

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Heute bin ich nach Australien gereist. Jedenfalls habe ich mich wie in Australien gefühlt. Ich war im Land der roten Erde. Nicht nur Australien bietet dieses Phänomen, sondern auch der Lac du Salagou. Der Lac du Salagou ist ein Stausee, wo die Erde große Mengen Eisenoxid enthält. Daher stammt die rote Farbe.

Im Sommer wird der See bis zu 28 Grad warm. Allerdings florieren dann leider die Algen, und das Schwimmen ist nicht mehr möglich.

„Man hat versucht die Algen zu entfernen“, erzählt mir Véronique. „Doch wie bei einer Hydra wuchsen aus jeder Alge, die man entfernte, zwei neue.“

Jetzt im April ist das Wasser aber noch weit unter 20 Grad, und daher ein absolutes Badevergnügen (wenn auch nur für kurze Zeit).

„Hier kann man auch viele Fossilien finden. Muscheln, Austern und ähnliches.“, meint Véronique nach dem Schwimmen.

Die unterschiedlichen Gesteinsschichten sind deutlich zu erkennen.

Fossilien finden wir keine, dafür aber wilden Thymian. „Hier, riech mal.“, Véronique hält mir einen Büschel Thymian hin. Der Duft ist intensiv. Überall sprießen bunte Blumen aus dem roten Boden: Ein klasse Farbspiel.

Später zeigt mir Véronique in ihrem Garten zwei versteinerte Austern, die Thierry im Garten ausgegraben hat. Sie sind etwa 25cm lang und wiegen gut einen Kilo. Die versteinerten Austern sind in der Gegend so häufig, dass man im Dorf sogar eine ganze Mauer nur daraus gebaut hat.

Im Dorf höre ich immer wieder Spanisch. Man vergisst schnell: Spanien ist nur zwei Autostunden entfernt. Ich frage Véronique, ob hier viele Spanier leben, um zu arbeiten.

„Ja, es kommen viele Menschen aus Spanien. Sie bleiben meistens ein paar Jahre und gehen dann oft zurück. Dort bauen sie dann ein Haus mit dem Geld, das sie hier verdient haben – oder gründen eine Familie.“

„Spanien und Portugal haben viel profitiert durch die EU.“, sagt Véronique. „Ich erinnere mich an die 70er und 80er Jahre, das waren bettelarme Länder nach den Diktaturen. Da ist in den letzten Jahren aber viel Geld hin geflossen von der EU, und das hat die Modernisierung stark vorangetrieben. Trotzdem verdient man in Frankreich noch mehr.“

„In den Städten, Paris, Lyon und so weiter, arbeiten häufig Spanier und Portugiesen als häusliche Hilfskräfte oder Au-pairs. Wir hatten selbst eine Portugiesin, die uns mit den Kindern geholfen hat. Sie war super nett, toll für die Kinder. Irgendwann ist sie aber auch wieder zurück nach Portugal gegangen.“

Ohne die Europäische Union wäre das alles schwieriger.

Nachmittags sitzen wir gemeinsam an einem runden Tisch im Garten. Wir trinken Tee und essen dazu dunkle Schokolade. Eine große Echse rennt quer über den Garten und klettert die Hauswand hoch. Schnell mache ich ein Foto.

Die Enkel bekommen von der Echse nichts mit, sie sind mit dem Handy beschäftigt.

Véronique findet, dass die meisten Kinder heute zu viel am Handy sind.

„Man sieht eindeutig in Frankreich, dass die Leistungen in Mathematik und Französisch schlechter werden“, erzählt Véronique.

„Viele Kinder lesen nicht mehr, und vollständige Sätze muss man auch kaum noch formulieren. Sie sind abgelenkt durch ihr Smartphone.“

„Und die Eltern gehen oft mit schlechtem Beispiel voran. Oft sind ja auch Eltern die ganze Zeit am Handy und beschäftigen sich gar nicht mit ihren Kindern. Dabei ist gerade das essenziell, damit sich Kinder gut entwickeln. Die Schule kann nicht alles übernehmen.“

„Ich habe auch den Eindruck, dass viele Eltern ängstlicher geworden sind. Manche Eltern scheinen sogar glücklich zu sein, wenn das Kind mit dem Handy beschäftigt ist. Statt auf Bäume und Felsen zu klettern, wo es sich verletzen kann, sitzt es schön sicher auf dem Sofa.“

Eine interessante Sicht der Dinge. Kontrolle durch Sucht. Wie England einst China durch Opium kontrollieren wollte, so ist das Handy das Opium der Kinder. Ziemlich krass, aber in manchen Fällen bestimmt zutreffend.

„Normalerweise dürfen unsere Enkel nur 15 Minuten am Tag ihr Handy benutzen.“, erzählt Thierry, der bis jetzt nur zugehört hat. „Ihre Eltern sind da sehr streng. Sie dürfen auch nur bestimmte Anwendungen nutzen. Jetzt im Urlaub ist es aber etwas entspannter, deshalb nutzen sie die Freiheit auch aus.“

Es ist eine andere Form der Kontrolle. Anstelle des grenzenlosen Handyzugangs, der zu Sucht führen kann, gibt es hier einen stark begrenzten Zugang. Ein laissez-faire Modell und ein autoritäres Modell.

Man darf allerdings zweifeln, ob man durch so stark regulierte Nutzungszeiten einen maßvollen Umgang mit dem Handy lernt. Durch Hungern lernt man schließlich auch nicht, maßvoll zu essen. Eher das Gegenteil. Man verliert jede Selbstkontrolle, wenn endlich Essen im Überfluss zur Verfügung steht.

Das könnte auch so sein, wenn eines Tages die Eltern nicht mehr die Autorität haben, die Handyzeiten zu kontrollieren.

Wie mit jeder neuen Technik, hat das Handy sowohl bereichernde Elemente zu bieten als auch Schattenseiten. Entscheidend sind wohl der maßvolle Umgang und ein Bewusstsein dafür, dass es neben dem digitalen Kosmos auch eine reale Welt zu gibt. Für mich ist diese letztere Welt um Unmengen bereichernder als ein kleiner viereckiger Bildschirm. Dennoch: Die Entscheidung, wie groß das eigene Fenster zur Welt sein soll, ist jedem selbst überlassen.

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