7:00
Die Vögel zwitschern um die Wette. Ich habe gut geschlafen und werde nun meine Sachen zusammenpacken. Bevor die ersten Besucher kommen, möchte ich vom Wohnmobilparkplatz weg sein.
9:10
Die ersten fünf oder sechs Kilometer sind geschafft und ich habe eben ein köstliches Frühstück gegessen. Wenn eine Bank am Wegesrand auftaucht, sollte man die Gelegenheit ergreifen. Wenn es eine Bank ist, die in der Sonne steht, dann muss man die Gelegenheit ergreifen. So wie jetzt!
Zu meinem Baguette gab es einmal Schinken, Gurken und Radieschen und einmal Honig. Um genau zu sein, Heidehonig aus Lodève. Heidehonig ist ein absoluter Genuss, den man unbedingt einmal ausprobieren sollte. Intensiver Geschmack, würzig mit Anisnote und einer karamellartigen Farbe.
Um auch nicht die Vitamine zu vergessen, habe ich noch eine Orange gegessen und etwas dunkle Schokolade. So etwas nenne ich eine königliche Mahlzeit.
11:00
Ich frühstücke zum zweiten Mal. In einem kleinen Dorf habe ich Obst und Käse aus lokaler Produktion gekauft. In Frankreich gibt es viele kleine Läden, die Produkte von lokalen Herstellern vertreiben. Eine gute Sache, die die heimischen Kleinbauern unterstützt. Abgesehen davon, sind die Produkte wirklich spitze!
Honig kaufe ich auch wieder: Eine weitere Sorte Heidehonig und einen Buschland (“Garrigues”) Honig, der aus der Bupleurum-Blüte (auch Hasenohr genannt) gewonnen wird. Dieser Honig ist mild und süß, mit einem Hauch von Vanille und Zitrone. Das Ergebnis ist, dass ich nun einen Kilo Honig im Gepäck habe. Zum Glück verzehre ich ihn auch entsprechend schnell! Bis zu den Pyrenäen müsste ich wieder leichter unterwegs sein… Außer ich besorge noch Nachschub.
Ich komme im Laden ins Gespräch mit der Verkäuferin, die aus Deutschland stammt. Ich schätze sie auf Ende 20 bis Anfang 30. Seit zwei Jahren führt sie hier ihr Geschäft.
„Was sind Sie denn hierhergekommen?“, frage ich sie.
„Ich habe längere Zeit über WOOF in der Landwirtschaft gearbeitet“, erzählt sie.
„WOOF? Was ist das?“, frage ich.
„Entschuldigung, ja, das muss ich erklären. Ich glaube das ist eine Abkürzung für ‚Worldwide Organisation of Organic Farmers‘. Ganz sicher weiß ich es gerade nicht. Jedenfalls kann man über WOOF bei ökologischen Landwirtschaftsbetrieben arbeiten. Man erhält dafür Verpflegung und Unterkunft, Gehalt gibt es aber nicht. Ich denke, das könnte auch was für dich sein.“
„Ja, das hört sich wirklich interessant an. Was war so deine Erfahrung mit WOOF?“
„Es war alles dabei. Total nette Landwirte, aber auch ein paar ganz schön schräge Geschichten. Das Gute ist, dass man einfach wieder gehen kann, wenn es einem nicht passt. So habe ich das dann auch gemacht. Meistens ist man aber mit anderen zusammen auf dem Hof und arbeitet, und da ist die Stimmung meistens ziemlich cool. Die Leute, die so was machen sind in der Regel ziemlich gut drauf. So hält man auch teilweise miese Arbeitsbedingungen aus.“
„Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass der ein oder andere WOOF als Quelle für kostenlose Arbeitskräfte benutzt“, sage ich, „Ist ja auch verlockend.“
„Tja, schwarze Schafe gibt es überall. Aber die Erfahrung lohnt sich! Das kann man auch super in Portugal oder Spanien machen, ich würde dir das echt ans Herz legen!“
Ich bedanke und verabschiede mich. Während des Gesprächs hat eine ältere Dame die ganze Zeit geduldig gewartet. Das ist etwas, was hier im Süden Frankreichs wirklich gegensätzlich ist zu Deutschland. Die Leute haben Zeit und Geduld.
Bei der lokalen Bäckerei kaufe ich ein Baguette, das direkt aus dem Ofen kommt. Ein Croissant und ein Stück „Flan“ besorge ich mir auch. Beides verputze ich an Ort und Stelle. Flan ist ein Kuchen mit Vanillepudding, der in französischen Bäckereien häufig zu finden ist. Ich finde ihn absolut köstlich!
12:30
Ich brauche manchmal sportliche Abwechslung. Dann stelle ich mein Fahrrad an eine Bank, und gehe ein bisschen joggen. 500m in die eine Richtung, ein paar Liegestützen und ein-beinige Kniebeugen, dann wieder zurück. Das wiederhole ich drei oder vier Mal, dehne mich danach, und schon fühle ich mich wie neu geboren. Nur Fahrrad zu fahren ist zu einseitig, und tut dem Körper langfristig auch nicht gut.
18:45
Eben habe ich mein Abendessen gegessen. Baguette mit Ziegenkäse, Frischkäse und Honig. Alles kam aus Betrieben, die in Handarbeit fertigen. Aus dem Nationalpark Haut-Languedoc hinaus führten mich Schotterstrecken, die für ordentlich Adrenalin sorgten. Groben Geröllklötzen auszuweichen, während man gleichzeitig aufpasst nicht in ein Schlagloch zu geraten, ist eine Kunst.
Einige Kilometer hatte ich das Gefühl, dass ich in Deutschland bin. Buchenwälder, graue Schotterwege und Tannen. Dann ändert sich die Vegetation schlagartig. Plötzlich bin ich wieder im Süden, mit Weinreben, Kalkböden und südländischer Architektur. Ich denke, ich werde noch etwa eine Stunde fahren und mir dann einen ruhigen Schlafplatz suchen.
20:10
Jetzt reicht es mir mit dem Fahrrad fahren. Ich bin etwa 15 km von Carcassonne entfernt, und noch weiter möchte ich nicht fahren. Später komme ich noch ins Stadtgebiet, und dort wird es erst richtig schwierig einen Ort für das Zelt zu finden.
Ich suche bestimmt schon seit einer Stunde nach einem geeigneten Platz für das Zelt. Nun habe ich eine nette Stelle gefunden.
Ich zelte etwa 300 Meter von einer Straße entfernt, auf einer Anhöhe in einem Kiefernwald. Von hier schaue ich gerade dem Sonnenuntergang zu, während ein laues Lüftchen weht. Gerne hätte ich bei jemanden im Garten übernachtet, doch ich habe niemanden gesehen, der draußen war und den ich ansprechen konnte. In der Gegend sind viele Ferienhäuser und Häuser, die von Mauern umgeben sind. Unter diesen Umständen ist es leider immer etwas schwieriger jemanden zu finden, bei dem man sein Zelt aufstellen kann.