Tag 81: Eine Mücke, ein Buch und viele Aprikosen

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Von diesem Tag gibt es wirklich nicht besonders viel zu berichten: es war ein Gammeltag! Die Nacht hingegen, dass ist eine andere Geschichte.

Erinnerst du dich an das letzte Mal, wo du nachts eine Mücke im Zimmer hattest? Es sind wirklich Kleinigkeiten, die das Leben erträglich oder unerträglich machen. Wer sagt, man soll sich nicht über Kleinigkeiten aufregen, hatte nachts bestimmt noch nie eine Mücke im Zimmer! Wobei, wenn mich die Mücke sogar in die Lippe sticht – gilt sowas noch als Kleinigkeit?

Besonders schlimm ist, dass ich die Mücke nicht mal finden konnte, um mich an ihr zu revanchieren.

Nach dem Aufstehen suche ich noch einmal gründlich das Zimmer ab, doch ohne Erfolg. Den Rest des Vormittags liege ich faul herum und lese. Alexander von Humboldt, selbstverständlich.

Zu Mittag gab es einen weißen Fisch, dessen Konsistenz ein bisschen an Tintenfisch erinnert hat. Mário hat ihn deshalb liebevoll „Gummifisch“ getauft. Der Gummifisch hat super geschmeckt, was wohl auch den Kochkünsten meiner Tante Rita zu verdanken ist.

Den Großteil des Nachmittags habe ich wieder auf der Couch verbracht. Ich habe meinen Humboldt-Wälzer zu Ende gelesen und kann als Fazit sagen: Ich hätte Humboldt gerne kennen gelernt! Humboldts Überzeugung, dass sich die Natur am besten mit einer Kombination aus Verstand und Fantasie erschließen und beschreiben lässt, ist mir sehr sympathisch.

Für mich ist eine der Kernbotschaften des Humboldtbuches, dass der Zauber unserer Natur auch eine bezaubernde Sprache braucht, um ihn zu beschreiben. Nüchterne Zahlen können die Magie der Natur nicht erfassen, sie berühren uns nicht. Dabei ist klar, dass wir nur schützen, was wir schätzen. Wenn es also überhaupt eine Hoffnung geben soll, dass wir den Pfad der Umweltzerstörung verlassen, auf dem wir uns befinden, dann braucht es unter mindestens dreierlei:

Erstens, Naturerlebnisse, wo Menschen die Umwelt spüren und zu schätzen lernen. Zweitens, eine Sprache, die den Zauber der Natur auch auf die Lese-Couch trägt.

Drittens: Wirtschaftliche Alternativen zur Ausbeutung.

Humboldt hat Die ersten beiden Punkte virtuos vereint, und zwar so meisterhaft, dass er bei seinem Tod im hohen Alter von 89 Jahren als berühmtester Forscher der Welt galt.

Abends machen wir noch einen kleinen Spaziergang auf einer Anhöhe hinter der Wohnung. Dort spielt sich etwas ab, was an den Widerstand der Gallier gegen das mächtige Römische Reich erinnert. Die Anhöhe ist größtenteils überwachsen, mit der Ausnahme einer kleinen Gartenlaube und einem Häuschen, in dem eine über 80-jährige Frau wohnt.

Eigentlich würde die Stadt das Grundstück gerne entwickeln, doch die alte Dame lässt sich nicht überzeugen das Haus, in dem sie schon ihr ganzes Leben lebt, zu verkaufen.

Wir sammeln Aprikosen, die von zwei Bäumen auf der Anhöhe hinuntergefallen sind. Daraus will Rita morgen einen Kuchen machen.

Während wir unter den dunklen Blättern der Aprikosenbäume die Früchte einsammeln, steigt der leuchtende Vollmond immer höher über Lissabon. Wäre ich ein Wolf, ich würde direkt anfangen zu heulen. Doch ich begnüge mich damit, Aprikosen zu sammeln und mindestens genauso viele zu naschen. Mit reicher Beute machen wir uns schließlich auf den Rückweg. Selbst gesammeltes Obst schmeckt einfach am besten!

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