Geld, Gastfreundschaft und Großzügigkeit

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Die Menschen werden ärmer im Nordwesten Argentiniens. Ich sehe immer mehr Motorräder statt Autos. Es tragen mehr Menschen dreckige, löcherige Kleidung.

Der Geschäftsbesitzer der Verduleria (Gemüseladen) hatte aber ein nigelnagelneues iPhone Pro. Nur weil die Masse ein bescheidenes Leben führt, heißt es nicht, dass es nicht auch hier teure Handys und Uhren gibt, die an Handgelenken blitzen.

Ich bin auf der Ruta Nacional 38 nach Westen unterwegs nach La Rioja. Die Strecke ist wie mit dem Lineal gezogen und die Kilometer fliegen vorbei.

Am Straßenrand steht ein Haus, wo eine Frau Empanadas verkauft. Die Frau steht hinter einem Fenster mit Gitter und reicht durch eine Öffnung die Empanadas. Ich bestelle drei Stück. Als sie mir die Empanadas gibt, unterhalten wir uns kurz über meine Reise. Die Empanadas kosten 300 Pesos das Stück (umgerechnet 30 Cent). Ich zahle 1000 und sage „passt so.“

Doch die Frau reicht mir einen der 500er Scheine zurück mit den Worten „Das ist mein Anteil, damit du weiterreisen kannst“.

Diese Anteilnahme, und dass, obwohl ich eindeutig wohlhabend genug bin, um die Empanadas zu kaufen, überrascht mich immer wieder. Und zu der Anteilnahme sagt man auch nicht nein.

Es ist eine Frage der Würde und ich nehme das Geschenk an.

Ich erinnere mich, dass ich in Frankreich einmal mit einem Gastgeber redete, der meinte, dass er in armen Ländern seinen Gastgebern immer Geld gelassen habe.

Ich versuche mir vorzustellen, wie ich mich in dieser Situation als Gastgeber fühlen würde. Es ist eine Ehre einen Reisenden aufzunehmen – jedenfalls war es das für lange Zeit in vielen Kulturen und ist es bis heute noch. Geld dafür zu bekommen, ohne es zu verlangen, wird unter diesen Umständen häufig als Zurückweisung eines Geschenks empfunden.

„Sehe ich so arm aus, dass ich mir Gastfreundschaft nicht leisten kann?” „Habe ich den Eindruck erweckt, ich erwarte Geld?” Solche Fragen würde ich mir stellen, wenn mir jemand insgeheim Geld lassen würde.

Geld verdirbt den puren Charakter der Gastfreundschaft. Durch den Fluss von Geld wird die Gastfreundschaft zu einer Transaktion und eventuell entsteht auch die Erwartung, beim nächsten Mal wieder Geld zu bekommen. Die Gastfreundschaft entfernt sich zunehmend von den ursprünglichen Werten. Ein Effekt, den man in touristisch geprägten Regionen gut beobachten kann. Dabei ist Geld zu geben auch nicht notwendig, denn Gastfreundschaft ist schon eine gegenseitige Bereicherung. Es gibt viele andere Arten seine Dankbarkeit zu zeigen. Ich hinterlasse manchmal einen kleinen Brief, mit dem ich mich bedanke. Oft sind es aber die vermeintlich einfachen Interaktionen, die Dankbarkeit am besten ausdrücken: eine herzliche Umarmung und ein ganz normales „Danke“ dürfen nie unterschätzt werden.

Auch nach meiner Abfahrt sind viele Gastgeber an meiner Weiterreise interessiert, so entsteht im Laufe der Zeit eine bunt durchmischte WhatsApp-Gruppe. In dieser sind Gastgeber aus unterschiedlichen geografischen Regionen und sozialen Schichten, eine inhomogene Ansammlung, die eines eint: sie haben alle gemeinsam und doch auf ihre eigene Art und Weise meine Reise in der bisherigen Form erst ermöglicht. Da bleibt nur eines zu sagen: „Danke an euch Alle!“

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