Tag 130: Das Durchqueren der Flachebene und Michelin Sterne

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Am Morgen wird als erstes die Fahrradreparatur erledigt. Um 7:30 Uhr steht mein Fahrrad auf dem Kopf und ich bin dabei die Vulkanisationspaste auf die beschädigte Stelle vom Schlauch aufzutragen. 2-3 Minuten warten, dann bringe ich den Flicken an. Es fehlt noch etwas Luft im Reifen, und schon ist das Fahrrad wieder fahrbereit. Alles in allem hat es keine 10 Minuten gedauert.

Zum Frühstück: Romain und Olivier sind auch schon wach. Um 8:00 Uhr sitzen wir gemeinsam am Holztisch und verspeisen genüsslich ein Vollkornbrot, Metzgerwurst, einen Hartkäse und für den süßen Zahn, etwas Marzipan.

Romain und Olivier brühen auf ihren Kochern noch einen großen Kaffee und so stoßen wir auf die deutsch-französische Freundschaft an. „Hier wird die Franco-alemannische Freundschaft begründet“, sagt Olivier pompös. „Ein Hoch auf die deutsch-französische Achse“, bekräftige ich. „Immer wenn ein Deutscher von einer Achse redet, bekomme ich Angst“, stößt auch Romain an. Wir müssen alle lachen!

Über steinige Brombeerüberwucherte Pfade rutsche ich den Berg hinab. Meine Vorderbremse heult wie eine Sirene bei dieser Folter. Wahrscheinlich hört man mich kilometerweit.

Wie schon am Vortag, ist mein erstes Ziel, eine Bäckerei aufzufinden. Ich weiß, dass am Sonntag die Zeit gegen mich arbeitet. Spätestens um 12:30 Uhr haben 99 % aller Bäckereien zu.

Um 12:20 Uhr werde ich bei einem kleinen Dorfkontor fündig. Die rundliche Frau an der Kasse steckt mir sogar noch drei Croissants und ein Puddingstückchen in eine Tüte. „Wir schließen gleich, das kannst du noch zusätzlich mitnehmen“, sagt sie. Es ist die erste vieler kleiner, netter Gesten an diesem Tag.

Auf schmalen Wegen geht es aus dem Mittelgebirge hinaus und in die flache Ebene hinein. Nach einigen Kilometern komme ich an einem Dorf vorbei, wo gerade Flohmarkt ist.

Dank meiner Federn am Helm, komme ich schnell ins Gespräch. Zuerst mit einer Frau aus Tunesien, die ganz begeistert von meiner Reise ist. Sie schenkt mir sogar eine Packung Datteln. „Das ist gut für die Gesundheit“, sagt sie mir, und fügt hinzu: „Ich esse sie am liebsten zusammen mit Milch.“

Ich schlendere zwischen den Ständen und den Kuriositäten hindurch.

Ein paar Meter weiter, lädt mich eine ältere Dame auf einen Kaffee ein. In der prallen Sonne ist es ganz schön warm und ich habe allergrößten Respekt vor den Verkäufern, die bei diesen Temperaturen ihren Stand betreiben.

Die ältere Dame geht einen Kaffee suchen und kommt wenig später mit einem dampfenden Becher zurück. Schon bald gesellt sich eine weitere Verkäuferin zu uns, und wir plaudern nett miteinander. Beide sind total begeistert von der Reise. „Und noch dazu in einem so zarten Alter“, rufen sie. Aber wann, wenn nicht jetzt?

Die Dame, die mich eingeladen hat, erzählt: „Du bist noch ganz weit unten auf der Treppe zur Himmelspforte. Wir beide (Sie und die andere Verkäuferin) sind schon recht weit oben. Jetzt ist die Zeit zum Ausprobieren und Abenteuer haben. Denn je höher du auf der Treppe steigst, umso größer wird der Schwindel und umso weniger traut man sich noch, so an seine Grenzen zu gehen.“

Mit kaltem Wasser aus ihren eigenen Vorräten füllen die Damen noch meine Flaschen auf. „So, jetzt sind wir beruhigt. Du bist gut gerüstet für die Weiterfahrt“, meinen sie.

Das bin ich. Die nächsten Kilometer fahre ich im Flachland. Zwischen Maisfeldern und abgeernteten Weizenfeldern radle ich in Richtung Bourg-en-Bresse. Es hat 35° und der Teer schlägt Blasen, die unter meinem Reifen knisternd zerplatzen. Es erinnert mich ein bisschen an die Plastikfolien mit den Luftbläschen. Wie ich es geliebt habe, sie zu zerplatzen!

Bald komme ich durch ein edles Dorf, das frisch renoviert zu sein scheint. „Village Blanc“ steht am Eingang (der Ort selbst heißt Vonnas). Menschen in Kochkleidung huschen durch die Straßen.

Schon bald erfahre ich, warum hier so viel los ist. Hier betreibt Georges Blanc eines der besten Restaurants Frankreichs. Das Restaurant ist seit 1929 durchgängig mit Michelin Sternen gekrönt.

Nebenbei hat Georges Blanc in seinem Heimatort über 30 Häuser gekauft und renoviert. Von ganz Europa und darüber hinaus kommen Prominente in das kleine Dorf, um die Kreationen des Kochstars zu verköstigen.

Bilder von dem Koch mit allen französischen Präsidenten, Tom Cruise, Royals aus England und unzähligen weiteren weltberühmten Personen sind an einer Tafel zu bewundern. Hier scheint so ziemlich jeder der „High Society“ einmal den Fuß hinein gesetzt zu haben.

Zu diesem illustren Club zähle ich mich eher weniger. Einen stinkigen und dreckigen Radfahrer würde man hier nicht mal in den Eingangsbereich des Restaurants vordringen lassen. 

Bourg-en-Bresse, die letzte Stadt vor dem französischen Juragebirge.

Ich fahre weiter, mache im Schatten einer Kirche eine dreistündige Pause, und schwinge mich dann nochmals für 2 Stunden Abendradeln auf den Drahtesel. Ich passiere Bourg-en-Bresse und erklimme einen kleinen Berg. Oben am Gipfel schlage ich mein Nachtlager auf. Ein junges Pärchen leistet mir Gesellschaft, bis die Sonne untergegangen ist. Bis Morgen!

Titelbild: Oben auf dem Gipfel schaut man dann zurück auf die Ebene zwischen Zentralmassiv und Jura, die ich zuvor durchquert habe.

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