Tag 141: Kuchen, Wald und ein Festmahl

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Heute werde ich bis Bad Kreuznach fahren. Hier treffe ich zum ersten Mal seit fast fünf Monaten wieder auf Verwandtschaft: Mein Großonkel Diethelm und seine Frau Hildegard.

Zunächst beginnt mein Tag damit, dass bei meinem Handy der Akku leer geht. Heute muss ich mich also anhand der Ortsschilder orientieren. Papierkarten habe ich nicht dabei. Doch ich habe mir bereits gestern die wichtigen Orte notiert, die ich auf meinem Weg nach Bad Kreuznach durchqueren muss.

Zum Frühstück gibt es ein Stück Pflaumenkuchen, welches ich von einer echten Handwerksbäckerei kaufe. Gut, dass es sowas noch gibt! Gestärkt und wohlgenährt nehme ich die Strecke in Angriff.

Leider stelle ich bald fest: Wegen Waldarbeiten ist mein Weg gesperrt. Weil es erst 8:30 Uhr ist, denke ich mir aber: „Vielleicht hat noch niemand angefangen zu arbeiten.“

Ich schlüpfe unter der Absperrung hindurch und folge dem Weg. Nach 2 km höre ich allerdings Kettensägen, und sehe zwei gefällte Bäume, die quer über dem Weg liegen. Ein Waldarbeiter kommt mir entgegen. Ich frage, ob ich trotzdem vorbeikann.

„Klar“, nickt der Holzfäller. Er spricht kein Deutsch, sondern eine osteuropäische Sprache. Er winkt einen Kollegen zu sich und zusammen helfen die beiden, mein schweres Fahrrad über die gefällten Bäume zu tragen. Sehr nett!

Ich hatte schon erwartet, angepflaumt zu werden, weil ich die Absperrungen missachtet habe. Aber die Waldarbeiter waren sehr hilfsbereit und gar nicht verärgert.

Glück gehabt!

Die Orientierung auf der weiteren Strecke ist sehr einfach. Ich folge schlicht dem Alsenztal. Nach 70 km tauchen die ersten Schilder auf, die mich nach Bad Kreuznach weisen. Um 16:00 Uhr, nach 85 Kilometern, stehe ich bei Diethelm und Hildegard vor der Haustür. Angekommen!

Am Abend gibt es gleich eine reichhaltige und köstliche Speise: Leberkäse, Kartoffelsalat und ein Blattsalat. Herrlich! Ich lange zu, und genieße jeden Bissen.

Nachher leide ich aber unter einem ziemlich überspannten Bauch. Das ist etwas, was ich in den folgenden Tagen noch häufiger erleben werde. Mein Verdauungstrakt ist einfach nicht mehr auf große Portionen abgestimmt, sondern auf viele kleine Häppchen.

Ich habe ja immer nur nach Bedarf gegessen. Dann gab es auch nur so viel, wie nötig war, um den Hunger für die nächste Stunde zu überbrücken. Jetzt muss ich meinen Darm erst mal etwas trainieren, damit er ohne unangenehme Spannung wieder große Portionen verkraften kann!

Eine andere Sache fällt mir auch auf: meine Schleimhäute im Mund und Hals trocknen in Innenräumen viel schneller aus und fühlen sich kratzig an. Auch hier werde ich mich wieder anpassen müssen. Mir fallen plötzlich Dinge auf, die ich sonst nie bemerkt hätte.

Offensichtlich hat sich meine Perspektive verschoben. Für eine kurze Zeit habe ich nun die Chance als entrückter Betrachter eine bekannte Umgebung zu erleben. Mit jedem Tag werde ich aber wieder stärker im normalen Alltag versinken. Tiefer und tiefer, bis sich die Wassermassen über mir schließen und ich wieder vollständig zu dem Kosmos gehöre, den ich vor 5 Monaten verlassen habe.

Doch gewisse Spuren meiner Reise werden doch bleiben, oder?

Nur: Welche Spuren sind das? Diese Fragen werde ich in den nächsten Wochen versuchen zu erkunden:

Was hat meine Reise mit mir gemacht? Welche Erkenntnisse kann ich über mich, meine Begegnungen und meine Umwelt festhalten? Bin ich während meiner Reise zu größerer Klarheit gelangt, was mich ausmacht? Wohin möchte/in welche Richtung ich gehen? Was ist mir wichtig?

Zunächst erfordert die Spurensuche aber die Klärung einer ganz anderen Frage. Jene, die sich danach erkundet, warum ich meine Reise überhaupt angetreten habe.

Alles Weitere folgt. Bis Morgen!

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