Tag 53: Rundherum Zufrieden

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Auf Trails und abgelegene Straßen fahre ich von La Puebla bis kurz vor Huesca. Auf den ersten 30 Kilometern, folge ich dem Kanal del Cinca. Dieser ist nach Vorbild der römischen Aquädukte gebaut und fließt über Brücken und durch Tunnel. Am liebsten würde ich bei der Hitze direkt ins schimmernd blaue Wasser springen, doch der Kanal fließt mit bestimmt 20km/h. Über diesen Kanal werden große Striche der trockenen Landschaft von Aragonien versorgt.

Die Landschaft ist geprägt von Buschwäldern und Weizenfeldern, die gespickt sind mit Mohnblumen. Die leuchtend roten Farbtupfer in der Landschaft sind eine Augenweide. Gegen 14 Uhr mache ich einen längeren Halt in einem kleinen Ort. Dort gibt es eine schattige Bank, wo ich die Mittagshitze gut überstehen kann. Ich döse nach einem guten Mittagsessen vor mir hin, als plötzlich ein Auto ganz laut dreimal hintereinander hupt. In den engen Gassen hat man schlechte Sicht, deshalb ist es üblich zu hupen, um eventuelle Passanten oder Gegenverkehr auf sich aufmerksam zu machen. In diesem Falle rauscht ein weißer Lieferwagen vorbei, der direkt von meiner Bank hält.

Schon eilt aus dem nächsten Haus eine ältere Dame herbei. Der Lieferwagen bringt frisches Brot vom Bäcker! Ich frage nach, ob ich mir auch was kaufen kann und schon habe ich mein Abendessen ergattert. Dabei komme ich ins Gespräch mit der Frau, die aus dem Haus gerannt kam.

„Wo kommst du her?“, fragt sie.

„Aus Deutschland.“

„Echt! Alles mit dem Fahrrad?“

„Ja, nur ich und mein Zweirad.“

„Ist das nicht einsam, so ganz allein?“

„Alleine bin ich oft, aber einsam sehr selten! Dafür treffe ich unterwegs zu viele nette Leute. Die letzte Nacht habe ich zum Beispiel bei einer Mutter und Tochter aus Kolumbien verbracht, die mich spontan eingeladen haben.“

Die Frage, ob es nicht einsam sei, allein unterwegs zu sein, wurde mir jetzt schon öfter gestellt.

Doch tatsächlich sind allein sein und einsam sein zwei sehr unterschiedliche Dinge. Einsam kann man auch inmitten von Menschen sein. Psychologisch ist Einsamkeit das Gefühl, dass die vorhandenen sozialen Beziehungen dem eigenen Bedarf an Gemeinschaft nicht gerecht werden. Allein sein bezieht sich einfach auf den Zustand, keine Menschen um sich herum zu haben. Wer allein ist, muss nicht zwangsläufig einsam sein.

Ich gewinne durch die Begegnungen auf meiner Tour eine Art Polster gegen die Einsamkeit, von dem ich zehren kann, wenn ich allein bin. Ich genieße die Abwechslung zwischen der intensiven Auseinandersetzung mit Personen und Phasen der Abgeschiedenheit. Wie beim körperlichen Training, brauche ich auch beim sozialen „Sport“ Ruhetage. Dann verarbeite ich die vielen Eindrücke und Informationen, die ich aus meinen Begegnungen gewonnen habe.

 „Wo übernachtest du, wenn du niemanden findest?“, will die Frau wissen.

„Dann suche ich mir ein ruhiges Plätzchen, wo ich ungestört bin. Höchstens besuchen mich mal ein paar Tiere.“

„Tiere sind auf jeden Fall besser als Menschen mit bösen Absichten. Ich hätte trotzdem zu viel Angst, das zu machen! Aber das Wetter ist ja prima“, sagt die Frau.

„Ja, es ist Welten besser als Schnee und Regen! Nur mittags wird es ziemlich warm!“

„Warte mal, ich hätte da was für dich“, sagt daraufhin die Frau und eilt ins Haus. Kurze Zeit später kommt sie zurück, in der Hand eine eiskalte Cola. „Hier!“, sie hält mir die Cola hin und sagt: „Ich glaube, das ist doch genau das Richtige bei der Hitze.“

Das ist es in der Tat. Was für ein Glück ich wieder habe!

Ich bedanke mich bei der netten Frau, die mir noch eine gute Weiterfahrt wünscht. Dann eilt sie zurück ins Haus mit dem Verweis, dass ihr Sohn später vorbeikommt, und sie noch das Essen vorbereiten muss.

19:00

Ich bin schneller vorangekommen, als erwartet. Doch heute möchte ich nicht mehr durch Huesca fahren. Lieber morgen, und das dann mit dem Einkauf verbinden. Allerdings ist es noch viel zu warm, um das Zelt aufzustellen. Trotzdem suche ich schonmal einen guten Platz, den ich nach etwas suchen auch finde.

Inmitten von Thymiansträuchern lege ich mich an einer schattigen Stelle auf ein Handtuch und genieße den Duft, das Summen der Insekten und die leichte Brise. Ich esse mein Abendessen, telefoniere mit meinem Bruder und werde schließlich mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt.

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