Tag 102: Jagdgebiete und Staubwirbel in der Hochebene

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Ich fahre im Dunkeln los, gegen 6:30 Uhr. Allmählich hellt sich der Himmel auf, und die Eichen links und rechts des Weges bekommen Konturen. Ich fahre über schlecht geteerte Straßen und Schotterwege, wo links und rechts große, abgetrennte Jagdgebiete liegen.

Ich sehe einige prachtvolle Rothirsche, die auf einem Bergkamm entlanglaufen. Ich frage mich, wem die Gebiete gehören: an den Zäunen sind Schilder, die sagen: „Privates Jagdgebiet, betreten verboten!“ Ein so gewaltiges Arial würde ich eigentlich nur der Königsfamilie zutrauen. (Tatsächlich liegen die größten privaten Jagdgebiete Europas in Spanien. Weite Teile dieser Gebiete gehören verschiedenen europäischen Königshäusern).

Trotzdem finde ich es irgendwie lustig. Der Besitz muss abgegrenzt werden, durch Zäune. Es ist so, als ob den Besitzern erst durch einen sichtbaren Zaun klar wird, dass es ihr Gebiet ist. Vielleicht zeigt sich allein schon dadurch, dass wir Zäune als Symbol für Besitz brauchen, weil das eigentliche Konzept des „Besitzens“ zu abstrakt ist für unser Hirn. Schon gut, dass wir nicht ewig leben, denn durch unsere Lebensspanne ist in gewisser Hinsicht auch unserer Habgier eine Grenze gesetzt. Kein Zaun, aber eine natürliche Grenze.

Ich hingegen habe das Gefühl, mir gehört die Welt. Und das, obwohl mein Geldbeutel sicherlich wesentlich kleiner ist, als der des Königs von Spanien. Das Reisen mit dem Fahrrad baut Grenzen ab und der unmittelbare Kontakt mit der Umwelt gibt mir das Gefühl, dass die Welt mir gehört und ich zur Welt gehöre. Ich brauche keine Zäune, um zu wissen, was ich habe.

10:15

Vorsicht von oben! Ein Kokosnuss-großer Tannenzapfen kracht hinab von einer der Pinien, die den Wegrand säumen. Die Schotterstrecke, auf der ich unterwegs bin, führt mich hinauf ins spanische Hochland.

Ich befinde mich auf etwa 900 m Höhe, es weht eine leichte Brise und zum ersten Mal seit dem Losfahren kriecht die Sonne hinter den Wolken hervor. Jetzt heißt es also: noch einmal richtig ins Zeug legen und Kilometer machen, bevor die Hitze zu groß wird.

Die Strecken sind traumhaft und zum ersten Mal seit mehreren Wochen sehe ich wieder Geier. Außerdem sehe ich das, was wir als „glückliche Kühe“ bezeichnen, sie haben große Weideflächen für sich.

Dann geht es wieder 300 Höhenmeter hinab in eine karge, ausgeblichene Hochebene. Hauptsächlich wird hier Weizen angebaut und Iberico Schweine gezüchtet.

Der Weizen ist mittlerweile abgeerntet, und so fahre ich Kilometer nach Kilometer durch die staubige Ebene. Der Wind steht mir im Rücken und so fliege ich förmlich über die Wege. An einer Stelle wenige Meter vor mir entsteht ein „Dust Devil“, ein Staubwirbel, der Erde und Spreu über den Feldern hoch in die Luft saugt und auf mich hinabschweben lässt.

Abgeerntete Felder der Hochebene.

 

15:30

Nachdem ich erst 3 km in die falsche Richtung gefahren bin, bin ich jetzt auf der richtigen Strecke. Immerhin sind schon 106 km geschafft.

Soeben habe ich mich an einer schattigen Stelle hingelegt, wo ich die nächsten 3 Stunden faulenzen werde. Ich lese ein bisschen, esse was und lege mich auf meinem Handtuch im Schatten hin. So bin ich während der wärmsten Stunden des Tages nicht der prallen Sonne ausgesetzt.

20:00

Ich schlage mein Lager heute an einem Stausee auf. Vorher gehe ich noch einmal schwimmen und weil ich der einzige Mensch bin, der hier ist, in voller Freiheit. Jetzt suche ich nur noch eine Stelle, wo ich mein Zelt aufbauen kann. Gute Nacht!

 Am Ufer dieses Stausees Zelte ich.

 

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