Tag 119: Einladungen und Höhenmeter

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13:00

Gerade esse ich eine köstliche Quiche, die mir Sarah noch mitgegeben hat. Darin enthalten sind Paprika, Brokkoli und Fetakäse.

Ich bin erst seit einer Stunde unterwegs und werde gleich den ersten Pass des Tages in Angriff nehmen. Es ist sonnig, aber es weht eine angenehme Brise. Neben mir plätschert beruhigend ein Gebirgsbach.

Wir haben heute Morgen alle zusammen gefrühstückt, und Miles hat mir ganz stolz seine Drohne vorgeführt. Damit sind wir ganz nah an die Kühe das Nachbarfeldes geflogen, aber die haben das komische Fluggerät einfach ignoriert. Über eine Kamera an der Drohne konnten wir die ganze Umgebung in hoher Auflösung erkennen.

Am Morgen hat mir Merle ihre Playmobilsammlung in allen Details erklärt.

„Eine Freundin von meiner Mutter arbeitet dort“, sage ich.

„Wow!“ Merle ist begeistert. Sie zeigt mir stolz ein Bild von ihrer Lieblings-Playmobil-Youtuberin auf ihrem Tablet.

Miles fragt mich, ob ich wusste, dass Eulen eigentlich sehr dumme Vögel sind.

„Ich weiß nicht, wie man das bestimmen sollte…“, sage ich.

Außerdem will er wissen, was ich von Zeitreisen halte.

Wenig später erzählt Miles mir, dass man sich garantiert erbricht, wenn man mit rohem Ei gurgelt.

„Hast du es schon probiert?“, frage ich ihn. 

„Nee“.

„Das bleibt wohl im Hals hängen“, spekuliere ich zu den Gründen.

Myles ist auch ganz erstaunt, dass ich keine Videospiele spiele. „Was machst du denn dann!?“

„Lesen“, antworte ich.

Als wir uns schließlich um zwölf verabschieden, bekomme ich noch Einladungen nach Bonn und in die Pfalz, wenn ich mal dort vorbeikomme mit dem Fahrrad. „Die Pfalz ist das größte zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland“, sagt der Opa stolz. „Dagegen sind die Pyrenäen ein Kinderspielplatz! Du bist herzlich eingeladen, wenn du mal in der Gegend bist.“

Wir machen noch ein Erinnerungsfoto und dann geht es los. „Wie heißt dein Fahrrad eigentlich?“, fragt mich Merle noch schnell. „Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht“, sage ich. Für mich ist es immer nur „meine Freundin“.

18:15

Die ersten beiden Pässe sind bezwungen.

Ich bin zwar erst 40 km gefahren, doch auf diesen 40 km sind fast 2000 Höhenmeter zusammengekommen. Gerade geht es schon wieder einen Berg hoch, doch mir scheint, dass dieser ein etwas kleinerer ist.

Wie schon gestern sind alle Berge, die über 1300 m hinausragen in dichte Wolken gehüllt. Ich fahre in meiner eigenen kleinen Welt, begrenzt durch Wolken, die mich umgeben. Weiter als 30 m kann ich weder nach vorne, hinten, links oder rechts gucken.

Ich werde noch diesen Berg bezwingen und mich dann nach einem Schlafplatz umsehen. Morgen wird wieder ein harter, höhenmeterreicher Tag, und deshalb möchte ich heute nicht übermäßig lang fahren.

Es gibt zudem viele Bremsen, die meinen Schweiß lieben…

Gerade eben hat mich schon wieder eine erwischt. Mist!

Eine typische Situation. Warten wegen einer Kuhherde gehört zum Alltag dazu.

20:30

Nach 50 km und 2500 Höhenmetern beende ich die heutige Etappe. Schlussplatz wird eine nette Wiese neben einem Fluss. Wenige hundert Meter entfernt, liegt das kleine Dorf Bedous.

Mein Abendessen besteht aus einem frischen Baguette, sündhaft teuren Bio-Tomaten (die aber jeden Cent wert waren, weil es eindeutig Gartentomaten sind) und einem Schafskäse aus lokaler Produktion.

Auf der Straße am gegenüberliegenden Flussufer fährt ein Radfahrer vorbei, der lauthals und extrem schief ein Lied vor sich her singt. Ich glaube nicht, dass er weiß, dass ich ihn beobachten kann. Ich würde denken, der Typ ist verrückt, wenn ich nicht wüsste, dass ich selbst manchmal genauso durch die Gegend fahre. Wenn die Langeweile unerträglich wird, versucht man sich eben anderweitig zu beschäftigen. Singen (oder zumindest der Versuch zu singen) ist gut dafür geeignet!

Bis Morgen!

Wilde Blaubeeren... Lecker!

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