Tag 38: Einmal durch die Pyrenäen

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—– Zu den Bildern war zuerst der Text von Tag 39 hochgeladen. Da ist leider jemand durcheinander gekommen… —–

8:40

Ich liege auf dem Rücken und schaue dabei zu, wie eine Spinne an meiner Zeltdecke flink umherkrabbelt. Es ist immer noch windig, doch die Sonne scheint und taucht das Zelt in ein goldenes Licht. Ich habe mein Innenzelt die ganze Nacht offengelassen. Die frische, milde Luft von Draußen war angenehm. Jetzt werde ich frühstücken und anschließend meine Sachen zusammenpacken. Ziel heute: Argelès-sur-Mar, wo ich Canyoning ausprobieren möchte.

9:30

Ich unterhalte mich kurz mit meinem Gastgeber.

„Hast du gut geschlafen?“, fragt er mich.

„Ausgezeichnet. Wie ein Baby.“, ist meine Antwort.

Seit etwa einer Stunde ist er schon im Garten am Arbeiten.

„Il faut bouger!“, sagt er mir. „Man muss sich bewegen!“

Ich nickte meine Zustimmung.

„Manchmal merke ich es schon in den Knochen, wenn ich den ganzen Tag im Garten war.“, erzählt er mir. „Ich bin 71.“

Vom Äußeren her hätte ich den Mann auf 60 geschätzt.

„Sie sehen deutlich jünger aus.“, sage ich also. „Aber die Berge und ihr Garten halten wohl jung.“

„Auch das Fahrrad!“, fügt er hinzu und lacht. „Ich trainiere viermal in der Woche, immer eins bis zwei Stunden.“

„Super!“, sage ich anerkennend. „Die Gegend hier ist ja traumhaft dafür!“

„Ja, auf jeden Fall. Wie bist du gestern hergekommen?“, fragt er mich.

„Ich bin durch die Gorges de Galamus gefahren.“

„Eine tolle Strecke“, sagt der Mann, „Im Sommer ist da viel los, aber jetzt hat man die Gorge für sich.“

Wie auf Kommando schießt ein roter Sportwagen mit röhrendem Motor vorbei.

„So geht es im Sommer die ganze Zeit. Es sind natürlich schöne Strecken, insbesondere für Motorradfahrer“, meint der Mann. „Du machst es schon richtig , zu dieser Jahreszeit hierdurch zu fahren. Im Sommer ist viel los und es ist auch ziemlich warm.“

„Wie warm wird es denn?“, frage ich.

„30 Grad hat man schon öfter, 35 wird es ab und zu. Die Berge halten zum Glück das Schlimmste ab.“

Der Ort befindet sich in einem Tal, und ist von Bergketten umgeben.

„Bonne route! Gute Fahrt!“, wünscht mir der Mann noch. Dann nimmt er die Gartenarbeit wieder auf. Il faut bouger – Man muss sich bewegen. Recht hat er!

13:45

Gerade lehne ich mich an eine Kiefer und spreche diese Zeilen in mein Handy ein. Die Sonne brutzelt, aber hier im Schatten, im kühlen Wind, ist es sehr angenehm. Eben habe ich mein Müsli gegessen, da ich frühs etwas von einer Bäckerei gegessen habe. Jetzt fehlt noch ein bisschen dehnen, und dann kann es weitergehen!

Das Canyoning hat sich leider erledigt: Ich habe erfahren, dass erst ab Mitte Mai die Touren wieder angeboten werden. Ich hätte wohl noch länger in Frankreich bleiben sollen…

Naja, der heutige Tag ist ansonsten alles andere als enttäuschend. Die Strecken durch die Pyrenäen sind atemberaubend. Die Straßen sind fast autofrei, die Sonne strahlt und die Blumen blühen in jeder erdenklichen Farbe. Kurzum, ich fahre durch ein Märchenland. 

Oft führt meine Strecke über ockerfarbene Schotterpisten, und einmal muss ich sogar durch einen fließenden Bach fahren.

Fast die ganze Zeit schiebt mich der Wind an.

Ich passiere herrliche kleine Dörfer, die direkt der Römerzeit entsprungen scheinen. In einem der Dörfer besorge ich mir einen “Maquis”-(Buschwald)-Honig, dessen Geschmack mich an Malz erinnert.  Er wäre bestimmt gut für Honigbier geeignet.

Eine kleine Laufeinheit mache ich, um ein altes römisches Aquädukt zu besichtigen. Es fließt sogar noch Wasser über die 2000 Jahre alte Konstruktion! Wie viele unsere Bauwerke noch in 2000 Jahren erhalten sind? Welche Spüren hinterlassen wir wohl?

15:30

Eine schattige Bank. Eine Orange und zwei Müsliriegel zur Stärkung. Die letzten 20 km waren langweilig. Es ist größtenteils flach, und links und rechts der Straße sind nur Obstplantagen mit Zwetschgen und Pfirsichbäumen. Ich vermisse jetzt schon die Berge.

Überall in den Dörfern wehen katalanische Flaggen im Wind. Zwar sind die Schilder noch auf Französisch, doch die Menschen reden, soweit ich es mitbekommen habe, schon ein Gemisch von Französisch und Katalan. Jedenfalls hört es sich an, wie Französisch mit spanischer Aussprache.

21:35

Ich lausche den Grillen. Es ist eine warme Nacht, die erste, die sich wirklich nach Sommer anfühlt. Soeben habe ich eine lange, warme Dusche genossen. Dusche? Ja – ich bin auf einem Zeltplatz untergekommen. Eine Dusche war wirklich notwendig. Sonnencreme und Pollenflug sind keine gute Kombination: Der Pollen bleibt an der Haut haften und wird zu einer klebrigen Masse. Davon habe ich nun die angesammelte Menge von drei Tagen gründlich entfernt.

Nägel habe ich auch geschnitten und meine Stoppeln am Kinn abrasiert. Körperpflege ist wichtig. Sie hilft, eine Routine aufrechtzuerhalten – und manchmal auch noch mehr.

In Maastricht hörte ich einmal einen Vortrag von einem Mann, der 8 Jahre in einer marokkanischen Gefängniszelle saß, ohne ein Verbrechen begangen zu haben und ohne Gerichtsverfahren. Er erzählte, dass das Einzige, was ihn bei Sinn und Verstand hielt, das tägliche Zähneputzen und Rasieren war. Wenn er jemals wieder die Freiheit erblicken sollte, dann wolle er das als gepflegter Mensch tun, erzählte er. Diese simplen Tätigkeiten hielten seine Würde aufrecht, und damit seinen Überlebenswillen.

Die Lektion aus dem Vortrag ist so einfach, wie auch mächtig: Routinen sind wichtig! Das gilt insbesondere solche, die der Selbstpflege dienen.

Schlafen lässt es sich übrigens auch besser, wenn der Schlafsack nicht an der Haut klebt. Damit wünsche ich eine Gute Nacht!

Tag 38

8:40

Ich liege auf dem Rücken und schaue dabei zu, wie eine Spinne an meiner Zeltdecke flink umherkrabbelt. Es ist immer noch windig, doch die Sonne scheint und taucht das Zelt in ein goldenes Licht. Ich habe mein Innenzelt die ganze Nacht offengelassen. Die frische, milde Luft von Draußen war angenehm. Jetzt werde ich frühstücken und anschließend meine Sachen zusammenpacken. Ziel heute: Argelès-sur-Mar, wo ich Canyoning ausprobieren möchte.

9:30

Ich unterhalte mich kurz mit meinem Gastgeber.

„Hast du gut geschlafen?“, fragt er mich.

„Ausgezeichnet. Wie ein Baby.“, ist meine Antwort.

Seit etwa einer Stunde ist er schon im Garten am Arbeiten.

„Il faut bouger!“, sagt er mir. „Man muss sich bewegen!“

Ich nickte meine Zustimmung.

„Manchmal merke ich es schon in den Knochen, wenn ich den ganzen Tag im Garten war.“, erzählt er mir. „Ich bin 71.“

Vom Äußeren her hätte ich den Mann auf 60 geschätzt.

„Sie sehen deutlich jünger aus.“, sage ich also. „Aber die Berge und ihr Garten halten wohl jung.“

„Auch das Fahrrad!“, fügt er hinzu und lacht. „Ich trainiere viermal in der Woche, immer eins bis zwei Stunden.“

„Super!“, sage ich anerkennend. „Die Gegend hier ist ja traumhaft dafür!“

„Ja, auf jeden Fall. Wie bist du gestern hergekommen?“, fragt er mich.

„Ich bin durch die Gorges de Galamus gefahren.“

„Eine tolle Strecke“, sagt der Mann, „Im Sommer ist da viel los, aber jetzt hat man die Gorge für sich.“

Wie auf Kommando schießt ein roter Sportwagen mit röhrendem Motor vorbei.

„So geht es im Sommer die ganze Zeit. Es sind natürlich schöne Strecken, insbesondere für Motorradfahrer“, meint der Mann. „Du machst es schon richtig , zu dieser Jahreszeit hierdurch zu fahren. Im Sommer ist viel los und es ist auch ziemlich warm.“

„Wie warm wird es denn?“, frage ich.

„30 Grad hat man schon öfter, 35 wird es ab und zu. Die Berge halten zum Glück das Schlimmste ab.“

Der Ort befindet sich in einem Tal, und ist von Bergketten umgeben.

„Bonne route! Gute Fahrt!“, wünscht mir der Mann noch. Dann nimmt er die Gartenarbeit wieder auf. Il faut bouger – Man muss sich bewegen. Recht hat er!

13:45

Gerade lehne ich mich an eine Kiefer und spreche diese Zeilen in mein Handy ein. Die Sonne brutzelt, aber hier im Schatten, im kühlen Wind, ist es sehr angenehm. Eben habe ich mein Müsli gegessen, da ich frühs etwas von einer Bäckerei gegessen habe. Jetzt fehlt noch ein bisschen dehnen, und dann kann es weitergehen!

Das Canyoning hat sich leider erledigt: Ich habe erfahren, dass erst ab Mitte Mai die Touren wieder angeboten werden. Ich hätte wohl noch länger in Frankreich bleiben sollen…

Naja, der heutige Tag ist ansonsten alles andere als enttäuschend. Die Strecken durch die Pyrenäen sind atemberaubend. Die Straßen sind fast autofrei, die Sonne strahlt und die Blumen blühen in jeder erdenklichen Farbe. Kurzum, ich fahre durch ein Märchenland. 

Oft führt meine Strecke über ockerfarbene Schotterpisten, und einmal muss ich sogar durch einen fließenden Bach fahren.

Fast die ganze Zeit schiebt mich der Wind an.

Ich passiere herrliche kleine Dörfer, die direkt der Römerzeit entsprungen scheinen. In einem der Dörfer besorge ich mir einen “Maquis”-(Buschwald)-Honig, dessen Geschmack mich an Malz erinnert.  Er wäre bestimmt gut für Honigbier geeignet.

Eine kleine Laufeinheit mache ich, um ein altes römisches Aquädukt zu besichtigen. Es fließt sogar noch Wasser über die 2000 Jahre alte Konstruktion! Wie viele unsere Bauwerke noch in 2000 Jahren erhalten sind? Welche Spüren hinterlassen wir wohl?

15:30

Eine schattige Bank. Eine Orange und zwei Müsliriegel zur Stärkung. Die letzten 20 km waren langweilig. Es ist größtenteils flach, und links und rechts der Straße sind nur Obstplantagen mit Zwetschgen und Pfirsichbäumen. Ich vermisse jetzt schon die Berge.

Überall in den Dörfern wehen katalanische Flaggen im Wind. Zwar sind die Schilder noch auf Französisch, doch die Menschen reden, soweit ich es mitbekommen habe, schon ein Gemisch von Französisch und Katalan. Jedenfalls hört es sich an, wie Französisch mit spanischer Aussprache.

21:35

Ich lausche den Grillen. Es ist eine warme Nacht, die erste, die sich wirklich nach Sommer anfühlt. Soeben habe ich eine lange, warme Dusche genossen. Dusche? Ja – ich bin auf einem Zeltplatz untergekommen. Eine Dusche war wirklich notwendig. Sonnencreme und Pollenflug sind keine gute Kombination: Der Pollen bleibt an der Haut haften und wird zu einer klebrigen Masse. Davon habe ich nun die angesammelte Menge von drei Tagen gründlich entfernt.

Nägel habe ich auch geschnitten und meine Stoppeln am Kinn abrasiert. Körperpflege ist wichtig. Sie hilft, eine Routine aufrechtzuerhalten – und manchmal auch noch mehr.

In Maastricht hörte ich einmal einen Vortrag von einem Mann, der acht Jahre in einer marokkanischen Gefängniszelle saß, ohne ein Verbrechen begangen zu haben und ohne Gerichtsverfahren. Er erzählte, dass das Einzige, was ihn bei Sinn und Verstand hielt, das tägliche Zähneputzen und Rasieren war. Wenn er jemals wieder die Freiheit erblicken sollte, dann wolle er das als gepflegter Mensch tun, erzählte er. Diese simplen Tätigkeiten hielten seine Würde aufrecht, und damit seinen Überlebenswillen.

Die Lektion aus dem Vortrag ist so einfach, wie auch mächtig: Routinen sind wichtig! Das gilt insbesondere solche, die der Selbstpflege dienen.

Schlafen lässt es sich übrigens auch besser, wenn der Schlafsack nicht an der Haut klebt. Damit wünsche ich eine Gute Nacht!

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