Tag 69: Ein entlaufenes Pferd und ein neues Erlebnis

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Das Pferd, der Hund und das Altenheim. So könnte man meinen Morgen zusammenfassen.

Als ich gegen 10:00 Uhr mein Zelt zusammenpacke, höre ich das Klick-Klack von den Pferdehufen auf Pflastersteinen. Neugierig schaue ich mich um. Wo ist denn das Pferd?

Da kommt es schon! Mit Schwung trottet ein kleines schwarzes Pony die angrenzende Straße hoch. Ein Besitzer ist weit und breit nicht zu sehen. Offensichtlich macht das Pferd einen ungenehmigten Ausflug!

Das kleine schwarze Pony machte allerdings seine Rechnung ohne den aufmerksamen Wachhund von nebenan! Der hellbraune Hund schlägt an, und schießt wie ein Blitz zwischen den Büschen hervor. Dabei knurrt er angsteinflößend und fletscht die Zähne.

Das Pony macht vor Schreck einen Riesensatz, und galoppiert die Straße hoch. Der Hund rennt laut bellend hinterher und schnappt nach den Hinterläufen des Pferdes.

Nach einigen Minuten kehrt der Hund zurück. Das Pony hat er weit weggejagt. Sichtlich stolz legt sich der Wachhund in die Sonne und schläft, als ob nichts gewesen wäre.

Es dauert aber nicht lange, und ich höre wieder: Klick-Klack Klick-Klack! Dieses Mal ist das Pony auf der Hauptstraße unterwegs. Weil es sich um ein sehr kleines Dorf handelt, sind nur wenige Autos unterwegs.

Das Pony macht einen weiten Bogen um den Hund und spaziert in Richtung Dorfmitte. Ich verliere es aus dem Blickfeld, während ich meine Taschen montiere.

Als ich losfahre und den Ort durchquere, entdecke ich das Pony aber wieder. Es steht auf der Grasfläche vor einem Altenheim. Sehnsüchtig scheint es nach etwas zu suchen. Das Pony schnüffelt am Gras, schaut mal nach rechts, mal nach links und bewegt seine Ohren nach vorne und hinten.

Offenbar unzufrieden mit dem Speiseangebot, läuft das Pony zum Fenster, hinter dem die Cafeteria des Altenheims liegt. Schemenhaft erkenne ich die Bewohner, die an Tischen sitzen und gerade frühstücken. Das Pony drückt die Nüstern gegen die Scheibe und schnauft laut. Was sich wohl die Bewohner denken? Vielleicht fühlen Sie sich an ihre Kindheit erinnert, als Pferde tatsächlich das Mittel der Wahl auf der Straße waren. Auf jeden Fall sorgt das Pony bestimmt für allgemeine Erheiterung. Bei mir ist das jedenfalls so!

10:00

Ich muss aber weiter und das Pony scheint an Ort und Stelle sehr zufrieden zu sein. Ich fahre nach Viseu, ein kleines historisches Städtchen im portugiesischen Stil. Von Viseu aus werde ich in Richtung Coimbra radeln, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich die Stadt auch erreichen werde.

18:00

Wie sich herausstellt, machen die Cafés in Viseu sehr gute Stückchen.

Deshalb fahre ich erst gegen 14:00 Uhr vollgefuttert weiter, auf einer alten Eisenbahntrasse. Dort treffe ich zwei andere Deutsche, die eine Radtour von Porto bis an die Algarve machen.

Dirk und Karo kommen aus Dresden, und sind Weggenossen, die die nächsten 30 km sehr kurzweilig werden lassen. Wir entscheiden uns gemeinsam zu zelten, an einem ruhigen Fluss mit malerischen Granitfelsen. Das Highlight des Tages ist, als wir nackt in den Fluss springen.

Dirk hatte es in etwa so angekündigt: „Ich weiß, dass ihr im Westen oft Hemmungen damit habt, aber wir gehen nackt baden. Ich hoffe, du hast damit kein Problem.“

Nein, natürlich habe ich das nicht. Ich bin aber auch kein „normaler“ Westdeutscher… Und so kommt es, dass ich zum ersten Mal in Gesellschaft FKK Baden gehe. Und nur so viel: es fühlt sich viel besser an als mit Badeanzug!

Während wir mit Blick auf Granitfelsen, die in der Abendsonne aufleuchten wie glühendes Magma, baden, ahne ich noch nicht, dass genau jene Steine mir am nächsten Morgen zum Verhängnis werden…

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