Tag 92 und 93: Dachterrassen, Yoga und ein Airbnb

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Tag 92:

Ich habe mich entschieden, noch einen Tag länger in Faro zu bleiben. Deshalb bin ich heute zum etwa 10 km entfernt gelegenen Strand gefahren. Dabei führt der Radweg direkt am Flughafen vorbei, und die Flugzeuge donnern direkt über mir hinweg.

Wie eine Blechröhre mit zwei Flügeln abhebt, um dann scheinbar schwerelos durch die Luft zu schweben, finde ich faszinierend. Ich bleibe lange an der Stelle stehen, wo die Flugzeuge im Landeanflug passieren.

Ein Wind weht vom Ozean her, so dass die Flugzeuge leicht schräg stehen beim Landeanflug. Kurz vor dem Aufsetzen richten sie aber ihren Kurs, sodass sie sicher landen.

Gegen 14:00 Uhr bin ich wieder in Faro. Dort setze ich mich an einen schattigen Tisch in einem Café und beobachte die Leute. Das Highlight war ein Mann mit einem Oberkörper wie ein Fass, und zwei Beinen wie Strohhalme. Dass er seine Balance halten konnte, ist erstaunlich!

Ich schreibe noch ein bisschen an den Blogeinträgen, und fahre dann mit dem Fahrrad an die alte Stadtmauer. Dort gibt es eine schöne Wiese, wo ich mich hinlege und die Biografie von Hannah Arendt weiterlese.  So vergehen zwei Stunden wie im Flug.

Nun muss ich mich aber aufraffen, um zu meiner Gastgeberin Julie zurückzufahren, gegen 18:30 Uhr wollen wir nämlich einen Yogakurs besuchen. Vorher möchte ich auch noch ein Häppchen essen. Ich habe ganz schön Hunger!

Mit portugiesischer Gelassenheit kommen wir eine Viertelstunde zu spät zum Yogakurs. Das ist nicht schlimm: die Lehrerin ist zwar Deutsche und kommt aus Osnabrück, doch sie hat sich schon längst an die portugiesischen Verhältnisse angepasst.

Der Kurs findet oben auf einer Dachterrasse im vierten Stock statt. Das ist einerseits wunderschön, weil man einen tollen Blick auf das Meer hat, andererseits birgt es den Nachteil, dass der starke Wind die ganze Zeit Yogamatten durch die Gegend fliegen lässt.

Wir machen eine Dreiviertelstunde ein einfaches Yoga-Programm, das aus unterschiedlichen Varianten des Sonnengrußes besteht. Zum Schluss machen wir eine Entspannungsübung, die im Fachjargon „Progressive Muskel Relaxation“ heißt. Im Klartext bedeutet das, dass wir für einige Sekunden eine bestimmte Muskelgruppe anspannen und sie dann entspannen.

Nach und nach wandern wir – auf dem Rücken liegend mit geschlossenen Augen – durch den ganzen Körper, von den Beinen bis zu den Armen.

„Hebt das linke Bein an und streckt den Fuß so weit von der Körpermitte weg, wie es geht. Halten, halten, halten. Und fallenlassen. Fühlt ihr wie schwer der Fuß plötzlich ist? Wie das Blut durchs Bein rauscht und sich eine warme, wohlige Entspannung ausbreitet? Gut. Ganz ruhig ein- und ausatmen. Wir wechseln zum anderen Bein“

Letzten Endes ist das Prinzip nichts anderes als meine Dehnübungen am Abend. Nur finde ich, um etwas Werbung in eigener Sache zu machen, dass mein Programm besser wirkt.

Nach der Yogastunde bleiben wir einfach auf der Dachterrasse. Eine Musikschule baut für ein Konzert auf. Bald füllt sich das Dach und wir lauschen bis in die Dunkelheit hinein tollen Sängern und Instrumentalisten.

Am tiefroten Horizont sieht man die Silhouetten von Kranichen, die noch auf einem letzten Beutezug sind. Bald sind es nur noch die Fledermäuse, die unterwegs sind. Eine Ausnahme gibt es: jede Viertelstunde rauscht eine Passagiermaschine im TiSefflug über uns hinweg. Ein Abend für die Erinnerung!

Tag 93

10:30

Zum Frühstück gibt es wie üblich Müsli mit Joghurt und Obst. Ich bin noch bei Julie und Anastasia in der WG, doch wir sind fast fertig für die Abfahrt in Richtung Tavira.

Gerade machen wir unser Frühstück. Ich öffne eine Schublade und hole mir einen Löffel heraus. „Vorsicht!“, ruft Julie. „Lass das lieber, sonst regt sich hier noch jemand auf.“ Ich lege den Löffel zurück und Julie gibt mir stattdessen einen der eigenen. Sie erklärt entschuldigend: „Hier hat jeder sein eigenes Besteck. Ich weiß auch nicht warum, es gibt einige komische Dinge in dieser WG. Die zwei Portugiesen, die das hier organisieren und die Regeln machen, sieht man fast den ganzen Tag nicht. Die gammeln einfach in den Zimmern rum, als ob sie auf ihren Tod warten!“

„Das ist echt schräg“, meine ich dazu. „Es ist mir schon immer ein Rätsel gewesen, wie Leute den ganzen Tag in ihrer kleinen Kammer verbringen können. Ich gehe doch nicht freiwillig in den Knast.“

Auch wenn Faulheit vielleicht der Grundzustand des Lebens ist, bei manchen Menschen ist er krankhaft ausgebildet.

Wir hingegen überwinden unsere Faulheit und radeln in schlappen zweieinhalb Stunden die 33 km nach Santa Luzia, ein kleiner Küstenort etwa 10 km vor Tavira. Das Städtchen hat viele charmante Häuser – Kacheln im arabischen Stil an den Wänden, einen Fischerhafen, und eine ganze Reihe Restaurants.

In einem dieser Restaurants treffen wir uns mit Lilian und Ewan, um die traditionsreichste Speise der Gegend zu essen: Pulpa, besser bekannt unter dem Namen Oktopus.

Am späten Nachmittag radeln wir alle zusammen nach Tavira. In der Nähe besuchen wir einen Schwimmtümpel, mit einer Liane, mit der man sich ins Wasser schwingen kann.

Nach dem Schwimmen spazieren wir durch die Stadt zu unserer Airbnb Wohnung. Wir schicken die Julie und Anastasia vor, denn wir haben nur für zwei Personen gebucht. Sie sollen einmal die Lage abklären.

Die Luft scheint rein zu sein, denn wenige Minuten später öffnen Sie uns die Tür und wir treten ein in eine kühle Wohnung mit einem Deckengewölbe, wie in einem alten Weinkeller. Wir bemerken aber sofort: „Scheiße, da ist ja eine Kamera.“

Schon Sekunden später macht Anastasias Handy ein lautes „Ping“. Eine Nachricht von der Vermieterin: “You booked for 2 people, not 5. We have to talk about this!”

Wir überlegen schnell hin und her, wie wir antworten. Wir einigen uns darauf, zu schreiben, dass wir uns zufällig auf unserer Tour getroffen haben und Julie und Anastasia uns eingeladen haben, mit ihnen zu essen. Die Vermieterin scheint die Geschichte zu schlucken, oder wenigstens zu akzeptieren, dass sie nichts ausrichten kann.

Sie schreibt: „Ok – as long as they don’t sleep there.“

„Nein, natürlich nicht“, beschwichtigen wir. Nach einer Stunde schieben wir die Fahrräder wieder aus dem Eingang heraus und schließen Sie in der Nähe von der Wohnung ab. Dann schlüpfen wir durch einen Hintereingang zurück hinein. Operation Airbnb geglückt!

Am Abend gehen wir zu einem Streetfood-Festival. Wir essen gegrillte Sardinen, frittiertes Gemüse und kaufen bei einer alten Frau sehr leckere Stückchen. Es gibt Musik, und die Tanzfläche ist prall gefüllt. Durchschnitt: Ü50.

Der Satz des Tages kommt von einem älteren englischen Gentleman, der mit Streifenanzug und Hut mit seiner Frau an uns vorbeistolziert: „This place is bloody crazy!“

Uns gefällt‘s.

Bis morgen!

Tavira, ein schönes Städtchen mit etwa 25.000 Einwohnern.

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